Es schneit, schon wieder! Nichts, dass ich dagegen etwas hätte. Im Gegenteil, ich freue mich, wenn sich ein weißer Schleier über die ohnehin schon puppenstubenähnliche Stadt legt, in welcher ich lebe. Ist es nicht schön aus dem Fenster des Arbeitszimmers zu blicken und dem Tanz der flocken zu folgen? Jedoch bin ich heute und Morgen erneut unterwegs, per Flieger und habe schon einige Stunden aufgrund wetterbedingter Verspätungen in diesem Jahr ausgestanden.
Heute geht es also nach Berlin, eine meiner Rennstrecken. Schon die Fahrt zum Flughafen fordert einiges an Geduld, geschlagene neunzig Minuten braucht es heute, um im P4, meinem bevorzugten Parkhaus anzukommen.
Alles läuft zunächst nach Plan, es schneit, der Flugverkehr jedoch findet statt. Mir bleibt noch etwas Zeit, um ein kleines Frühstück in der Lounge einzunehmen und mir eine Zeit Wochenzeitung zu schnappen. Am Gate angekommen drängen sich bereits wieder etliche Passagiere, auf diese Strecke nichts Besonderes. Mehr oder weniger im stündlichen Rhythmus wird die Hauptstadt frequentiert, von Bänkern, Politikern und sonstigen wichtigen Menschen. Beim Gang durchs Gate geht folge ich einer kleinen, in schwarz gekleideten älteren Dame, es ist unsere ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, die in Wirklichkeit viel kleiner ist, als sie mir im Fernseher immer erschien. Mehr oder weniger pünktlich steigen wir in die Maschine ein, der Schneefall wird stärker. Ein Blick aus dem Fenster verheißt nichts Gutes, ich wage schon eine Vorhersage, behalte es jedoch zunächst für mich. Ein ca. dreißig jähriger Mann setzt sich neben mich, in die Mitte der dreiteiligen Stuhlreihe. Am Gang nimmt ein stämmiger Hanseate in den Endfünfzigern Platz. Es dauert nicht lange, bis sich ein Gespräch zwischen den beiden entwickelt und ich wie durch eine Sog mit hineingezogen werde. Warum? Wir sitzen bereits seit 30 Minuten im Flugzeug, nichts tut sich, bis eine Durchsage des Kapitäns etwas Licht ins Dunkel bringt. Aufgrund des stärker werdenden Schneefalls werden wir vermutlich noch weitere 30 Minuten am Gate stehen bleiben, bevor wir zur Enteisung rollen dürfen. Neunzig Minuten sollen es sein, bis wir endlich enteist werden, weitere 15 Minuten später sind wir endlich in der Luft. Ich folge gebannt dem Gespräch meiner Nebensitzer, die sich mehr oder weniger ihre Lebensgeschichte erzählen. Da wäre zum einen der Mittelsitzmittedreißiger, der von Berlin auszog in die Welt, um letztendlich in Alaska zu stranden und dort sein Leben zu verbringen. Von vier Meter hohen Grizzlybären bis hin zu unüberwindbaren Schneewehen ist die Rede, von der Überwindung des Wiederheimkommens nach Berlin in die Heimatstadt, die er vor vielen Jahren bereits verlassen hat. Der Herzinfarkt der Mutter musste eintreten, ehe der verlorengegangene Sohn nach zweieinhalb Jahren wieder berlinerischen Boden betreten würde. Auf der anderen Seite der überaus gesprächige Hanseate, ein wahrer Weltenbummler, der bereits in allen Teilen dieser Welt gewesen zu sein scheint und sich nun von Afrika kommend auf dem Heimweg zu seiner Frau befindet, um dort die nächsten drei Monate seine freie Zeit zu genießen. Dieses Urgewächs schildert und teilt Erlebnisse in den heißen Gefilden afrikanischer Steppen über Erfahrungen in der sibirischen Tundra, des Umzugs aus Hamburg nach Mäckpomm bis hin zu seinem momentanen Nettoverdienst. Teils mit einem Schmunzeln, teils mit neugierigem Erstaunen lausche ich dem Dialog der beiden Weitgereisten und mische mich von Zeit zu Zeit mit in das Gespräch ein. In Berlin angekommen geht es direkt in eine unserer Firmen. Durch die lange Verspätung heißt es nun die Zeit zu nutzen und alle Themen komprimiert zu erörtern. In die verbleibenden zwei Stunden packen wir noch ein schnelles Mittagessen ehe ich mich aufmache zum zweiten, ebenfalls in Berlin liegenden Unternehmen unseres Konzerns. Direkt geht es los mit dem Workshop den ich leite, bevor wir gegen 18:00 Uhr die Zelte abbrechen und ich mit meinem Kollegen, der bereits einen Tag eher angereist war, ins Courtyard Mitte fahre. Beide ermüdet vom langen Tag entscheiden wir uns ein Abendessen in der Umgebung einzunehmen, die Wahl fällt auf das Vapiano am Potsdamer Platz. Es ist das 23:30 Uhr, ich klappe den Laptop zu, für heute ist Feierabend!
Was soll ich sagen, es schneit, als ich den Vorhang des Hotelzimmers lüfte. Und es soll weiterschneien, den ganzen Morgen, Mittag bis spät in den Abend. So entscheiden wir uns den Workshop um 15:00 Uhr zu beenden und uns an den Flughafen zu begeben – eine weise Entscheidung! Ca. sechzig Minuten schieben wir uns durch den Verkehr und die Schnee- bzw. Matschmassen der Hauptstadtstraßen, ehe wir rechtzeitig ankommen. Wir haben unseren Kollegen mitgenommen, der nach Düsseldorf wird, wir werden später noch von ihm hören. Am Flughafen geht es direkt an den First-Class Checkin, wir informieren uns über eine mögliche Umbuchung auf eine frühere Maschine, da wir Verspätungen bzw. Annullierungen bereits ahnen. Ein freundlicher, in Lufthansatracht gekleideter Mitarbeiter rät uns die aus Barcelona mit Verspätung eingetroffene Maschine zu nehmen, diese würde jedoch schon boarden. Es klappt wir sind auf dem Flieger und hetzen eilig durch den Flughafen zum Gate. Schnell durch die Sicherheitskontrolle gekommen, uns erleichtert, werden wir zum letzten Mal aufgerufen, wir sind im Flugzeug. Es kommt, wie es kommen soll, wir werden für gute zwei Stunden das Gate aufgrund der Wetterlage in Berlin und Frankfurt nicht verlassen. Bleibt nur die ruhe zu bewahren und zu hoffen, dass nicht doch noch der Flug aufgrund der Bedingungen annulliert wird. Wir heben jedoch ab und landen eine Stunde später im dicht verschneiten Frankfurt. Es sollte die letzte Maschine sein, die Berlin verlassen hat und in Frankfurt gelandet ist, beide Flughäfen wurden daraufhin geschlossen. Ein Dank dem engagierten Mitarbeiter am Checkin in Berlin und ein hoch auf die flexible Buchungsklasse P, die den Flug wohl teuer, jedoch umbuchbar macht. Ein Hoch auf meinen Senator, da wir ansonsten den Flug nicht bekommen hätten, da die schlangen an den „normalen“ Checkin-Schaltern voll waren.
Flieger hat es nicht mehr geschafft abzuheben. Er blieb eine weitere Nacht.
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