Montag, es ist Montag. Wäre es nicht schön gemütlich aufzustehen, ein Frühstück einzunehmen, sich darauf folgend entspannt an den Schreibtisch zu setzen und das Tagwerk zu verrichten? Nein, ich könnte mitnichten einen dieser Jobs ausüben, der mich tagtäglich ins Büro zwingt, um mich tagaus, tagein dem immerwährenden Trott hinzugeben. Nur manchmal, manchmal wäre es dann doch ganz schön ein wenig Konstanz in den Alltag zu bekommen, um acht die Rechenmaschine ein-, gegen fünf diese wieder auszuschalten.
Ich will mich nicht beklagen, es geht nach Ungarn und Rumänien in den kommenden vier Tagen. Aber muss es immer Montag, der Tag nach Sonntag, der Morgen nach dem Tatort sein? Die Reise beginnt früh. Der Wecker klingelt bereits um fünf Uhr. Wäre es ein normaler Tatortsonntag gewesen, so fiele mir das Aufstehen nicht ganz so schwer. Es war ein Halbmarathonsonntag, einer, an dem ich mich über 21,2km bergauf, bergab in Ziel geackert habe. Immerhin 1h 53Min, eine Verbesserung von über 6 Minuten im Vergleich zum Vorjahr. Meine Betonwaden aus dem Bett gehievt, begebe ich mich ins Bad, frühstücke danach und packe meine sieben Sachen, um gen Flughafen zu fahren. Das einzig Positive was ich dem frühen Aufstehen abgewinnen kann, ist die Ruhe auf den Straßen. Alles ist noch in den Schimmer der Straßenlaternen gehüllt, hie und da ein Pendler der sich auf die Reise begeben hat, sonst nur Ruhe auf den sonst so stark befahrenen Straßen.
Am Flughafen angekommen sehe ich mich dem ersten (und nicht letzten) Stress des Tages ausgesetzt. Eine Bombenwarnung hat dazu geführt, dass sämtliche Sicherheitskontrollen vorerst geschlossen wurden und ich meinen Flug bereits ohne mich an Board abheben sehe. Glücklicherweise jedoch dauert das Spektakel nur 15 Minuten, in welchen ich ein angenehmes Gespräch mit einem Wirtschaftswissenschaftler führe, der gerade auf dem Weg zu einem Kongress der europäischen Union ist – in Budapest. Dass dies noch Folgen für die kommenden Tage haben würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Einen unspektakulären Flug hinter mir erreiche ich den Budapester Flughafen, auf dem bereits einige meiner Teammitglieder, welche ich zu ausgewählten Lieferanten führen werde, warten sollten. Einen VW Sharan hatte ich bestellt, wir werden zu sechst die nächsten Tage durch den wilden Osten fahren. Die Finnen kommen, ein Anfang ist gemacht. Fehlen noch ein Berliner, ein Lübecker und ein französischer Schweizer. Auch diese trudeln so nach und nach ein, wobei der Lübecker es sich anders überlegt und die Reise kurzfristig abgesagt hat.
Ich schlüpfe in meine weiteren Rollen, der eines Chauffeurs, der eines Gruppenbetreuers, der eines All-In-One Kindermädchens. So fahren wir zum ersten und einzigen Lieferanten am heutigen Tag nach Kecskemét, gute neunzig Minuten entfernt von Budapest. Der Besuch verläuft reibungslos, ein Werksrundgang, diverse Präsentationen, einige Gespräche – mehr sollte es nicht sein für diesen Tag. Kaum Verkehr auf der Autobahn, prima, wir sollten bald im Hotel sein. Bis, ja bis zu dieser vermaledeiten Baustelle, aufgrund welcher die Fahrbahn in zwei Streifen geteilt und getrennt wurde. Ich entscheide mich für die rechte Fahrspur – ein Fehler. Führen im Heimatland idealerweise beide Bahnen im späteren Verlauf wieder zueinander, so scheint dies in Ungarn anders zu sein. Die rechte Spur fährt ab – in die Pampa, Puszta, nach Pimpelhausen. Jedoch nicht nach Budapest! Wie weit ein, zwei kleine Richtungsentscheidungen sein können, zeigt sich beispielhaft auf dieser Fahrt. Einen Umweg nach dem anderen, erreichen wir nach gut einer Stunde zusätzlicher Fahrtzeit, den Rand der Gulaschrepublik. Mehr unfreiwillig biete ich meinen Mitreisenden zusätzlich noch eine kleine aber feine Rundfahrt durch die Vororte Budapests, da ich wohl die falsche, wenn auch gleichlautende Adresse in das sonst tadellos arbeitende Navigationsgerät eingegeben habe.
Das Hotel ist in Sichtweite, nun kann nichts mehr schief gehen. Zu früh gefreut. Ein guter Platz für einen U-Turn denke ich mir, genügend Raum habe ich. Sodann in die Eisen gestiegen, das Lenkrad herumgerissen und in die Parallelfahrbahn eingebogen, sehe ich meine und unsere letzten Sekunden unseres Lebens nahen. Ich habe auf einer der wohl stark befahrensten Kreuzungen Budapests gewendet, die kreuzende Fahrbahn sowie deren Ampelwechsel auf Grün nicht erkannt, und sehe auf drei Spuren und zwei Richtungen Fahrzeuge auf uns zurasen. Das war knapp, eine Sekunde später hätte diese Reise ein jähes Ende finden können. Nun ist genug für heute, nur noch ins Hotel, die Füße hochgelegt. Kann an einem Montag eigentlich ein Freitag der 13. sein?
In der Hotellobby das nächste Fiasko. Die fest gebuchten und bestätigten Zimmer meiner Kollegen sind – man halte sich fest – aufgrund eines Kongresses der europäischen Union aufgrund unserer Spätanreise neu vergeben worden. Nur das Meine, wurde aufgrund meiner güldenen Mitgliedschaft weiter geblockt. Einige erzürnte Gespräche und Verhandlungen später, ziehen die Finnen in eine Suite, teilen sich fortan für die nächsten drei Nächte ein Badezimmer. Die Schweiz und Berlin werden an die Donau, in ein Schwesterhotel verfrachtet. Ein Abendessen später liege ich erschöpft in die Laken meiner Hotelpritsche eingehüllt und schlummere. Der zweite Tag beginnt.
Lässt sich der Vortag noch als spektakulär beschreiben, so gibt es über den Zweiten recht wenig zu berichten. Zwei Werke eines unserer größeren Lieferanten besuchen wir, fahren durch teils malerische Landschaften, führen zahlreiche Gespräche, erörtern potentielle Aufträge und lassen den Tag mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen. Nur für mich wartet noch ein langer Abend, habe ich heute das jährliche Personalgespräch mit meinem US-Vorgesetzten. Gegen zwölf ist auch dies geschafft. Keine sechs Stunden später reißt mich der Wecker aus dem Schlaf, entsprechend trunken vollführe ich die schnelle Körperreinigung, eile zum Frühstück und packe meine Kollegen, um nach Rumänien, ins vier Stunden entfernte Satu Mare zu fahren.
Heute sind wir mit zwei Fahrzeugen unterwegs, mein Lieferanten-Key-Account begleitet uns. Eine schöne Gelegenheit das Steuer einem der Finnen zu überlassen, ich genieße das Beifahrerdasein und den Platz im Wagen meines Lieferanten. Bei einer Fahrtzeit von gut vier Stunden ist dies auch gut so, fahren wir doch bereits nach der Besichtigung der beiden rumänischen Standorte wieder zurück. Die Zeit im Fahrzeug meines Gegenübers ist gut genutzt, aktuelle Projekte besprochen, Schwierigkeiten und Kritiken werden ausgetauscht, analysiert und Aktionen zur Behebung besprochen. Nur die Verfolgung des zweiten Fahrzeugs bereitet mir etwas Kopfzerbrechen. Die allseits bekannte Gelassenheit der Skandinavier, Schrägstrich Finnen, kommt auch in der Fahrweise des nordeuropäischen Lenkers zum Ausdruck. Nur schwerlich kann er Schritt bzw. Fahrt halten und wir müssen diverse Male, insbesondere in Ortschaften warten und darauf hoffen, dass er dem Navigationssystem folgt.
Satu Mare, eine grenznahe Stadt Rumäniens, eine der Metropolen des Landes, eine Stadt im Wandel und vor allem: eine Stadt der mannstiefen Schlaglöcher. Nicht wenige Male sehe ich uns im Ford Mondeo meines Lieferanten in die Tiefen der Erde, zum Mittelpunkt des Planeten stürzen, dem Nirwana aller Satu-Mare Handelsreisenden. Nicht ganz so tief, jedoch die Lendenwirbel beanspruchend, holpern wir von einer Senke in die nächste, bevor wir endlich das erste Werk erreichen. Auch hier werden wir erwartet, zunächst jedoch vom werkseigenen Schäferhund, welcher uns nicht aus den Augen lässt, ehe wir hinter den Toren des Fabrikgeländes verschwinden. Ich bin überrascht, sehe ich heute den beeindruckensten, saubersten und vielleicht auch in Teilbereichen interessantesten Standort. Nach einem längeren Produktionsrundgang, dem Besuch des Zweitwerkes und Gesprächen machen wir uns gegen 16:00 Uhr auf den Rückweg. Zurück durch die Untiefen Satu Mares, durch das Verkehrschaos der Stadt, deren Straßenbild noch immer von etlichen Skodas, Trabants und Ladas der Vorwendezeit geprägt wird. Knappe 3 Stunden später wechsle ich das Fahrzeug, fahren ich und meine Teammitglieder zurück ins Hotel, während sich mein Geschäftspartner auf seinen eigenen Rückweg begibt. Angekommen in Budapest genießen wir ein schmackhaftes Abendessen in einem traditionellen ungarischen Gasthaus, gefiedelter Tischmusik inbegriffen.
Ein letztes Mal heißt es diese Woche vor sechs Uhr morgens aufstehen, ich trete meine Rückreise an. Vier Tage voller Termine, Gespräche, Überraschungen und Skurrilitäten geht vorüber. Ich bin geschafft und erschöpft, jedoch auch froh, diese Reise angetreten und zum Erfolg geführt zu haben. Nicht lange lässt die nächste Reise dieser Art auf sich warten, Ende Mai ist es bereits wieder soweit wenn es heißt: Auf zu altbekannten und neu zu entdeckenden Pfaden!
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