Freitag, 16. November 2012

USA - Tag 5-10 – Ausgelaugt



Hatte ich schon erwähnt, dass ich kein Frühaufsteher bin? Um 4.30 Uhr morgens klingelt mein Handywecker, gefolgt vom am Vorabend gesetzten Telefonwecker. Eigentlich hat mich mein Telefon noch nie im Stich gelassen und bisher zuverlässig geweckt, dennoch gehe ich immer auf Nummer sicher. Gegen neun Uhr dreißig am vorherigen Abend zwang ich mich schlafen zu gehen, trotz eines auf dem Golfchannel gezeigten spannenden Finaltages bei den Disney Open (Golf PGA-Tour)in Lake Buena Vista, welche letztendlich von Charlie Beljan für sich entschied.
Der Dusche folgt das Packen, dem Packen der Checkout, dem Checkout mein kurzer Fußmarsch an den Flughafen, in welchem bereits ein reges Treiben herrscht. Hier treffe ich auch schon auf Philipp, am Gate dann noch weitere Mitarbeiter unserer Firmen, welche zur gleichen Konferenz nach Los Angeles fliegen.
Der einzige Grund weshalb ich kleinere Flieger nicht mag ist der, dass ich zumeist mein Handgepäck in Form meines Rimowa-Koffers vor Ort einchecken muss. Auch in diesem Fall hätte dieser bei bestem Willen nicht in die Staufächer gepasst. Es geht alles gut und nach erfolgter Lanung in Washington Dulles nehme ich sofort nach dem Ausstieg mein kleines Köfferchen in Empfang und marschiere mit Philipp zum nächsten Terminal-Gate. Philipp ist wohl das Frühstück nicht gut bekommen, er hat Durchfall. So halten wir innerhalb unseres Fußweges zwei Mal an einer Toilette, ehe es pünktlich nach Los Angeles geht. Fünfeinhalb Stunden Flug stehen uns bevor. Wie immer auf längeren Inlandsstrecken in den USA mit United, buche ich ein Upgrade auf Economy Plus, um in den Genuss zusätzlichen Fußraums zu gelangen. Die Zeit vergeht im wahrsten Sinne wie im Flug, nach den Filmen „Spiderman“ (neueste Verfilmung) und „People like us“, dem Überflug verschneiter Landschaften und des Grand Canyons landen wir sicher in LAX. Philipp hat wie immer kein Gepäck aufgegeben. Wie die allermeisten Passagiere lädt auch er den Koffer zusammen mit seinem Boardtrolley ins obere Staufach und sorgt dafür, dass nach nahezu der Hälfte der eingestiegenen Passagiere alle Stauräume prall gefüllt sind. Mein Koffer lässt auf dem Gepäckband nicht lange auf sich warten. Jedoch kommt mir ein Denzel Washington stark ähnelnder Mann zuvor und schnappt sich meinen Alu-Rimowa-Koffer, der im Vergleich zu den Standard-Stoffkoffern nicht wirklich häufig im selben Flieger transportiert wird. Schnellen Schrittes nähere ich mich dem Mann und mahne ihn mit ernstem Blick, er haben den falschen Koffer ab- und auf seinen Gepäckwagen aufgeladen. Zum ersten Mal in meiner Vielreise-Karriere ist mir dies nun wiederfahren, welch ein Glück, dass ich im entsprechenden Moment das Band beobachtet habe.
Unser Kollege Randy kommt nahezu zeitgleich mit unserem Verlassen des Terminalgebäudes vorgefahren. Auf geht es nach Anaheim, dem Ursprung des Dinseyland-Konzeptes. Zeit für einen Besuch im ersten Disneyland werden wir die kommenden vier Tage jedoch nicht haben. Das Programm ist straff, unsere interne Fachkonferenz beginnt täglich um 8:00 Uhr, gefolgt von gemeinsamen Abendessen an allen folgenden Tagen.
Ca. 60 Kollegen aus dem Top-Management der verschiedenen Firmen unseres Funktionsbereiches, in welchem ich auf Konzernebene tätig bin, erscheinen für die ersten zweieinhalb Tage. Die letzten eineinhalb Tage bleiben dem Konzernteam vorbehalten.
Die Konferenz bedeutet Stress pur. Nicht nur die vielen Themen, welche präsentiert und abgearbeitet werden, auch das entsprechende Networking und die zahlreichen Gespräche fordern mich. Kaum eine Pause vergeht, in welcher ich nicht in ein Gespräch gebeten werde, um ein bestimmtes Thema zu erörtern. Bei einem Konzern mit mehreren hundert Firmen und meiner Führungsrolle im Bezug auf den europäischen Kontinent, sowie einer zusätzlichen globalen Verantwortung im selben Bereich, ist dies auch zu erwarten. Die folgenden Nächte verlaufen wie die vorherigen. Ich wache häufig auf und spüre die zusätzlichen  drei Stunden Zeitverschiebung. Neun Stunden sind es in die Heimat. Neun Stunden, welche ein Telefonat mit daheim nicht gerade vereinfachen, tut sich doch nicht immer gleich ein Zeitfenster für ein solches auf.
Dienstag Abend steht das Gemeinschaftsevent an, dieses Mal in Form einer kleinen Bootsfahrt. Mir ist es zu kalt, um mich draußen aufzuhalten und somit verbringe ich die meiste Zeit im Inneren des Bootes, ohne etwas von der erleuchteten Umgebung mitzubekommen. Auch hier heißt es Gespräche führen, Meinungen auszutauschen und Termine zu vereinbaren. An den kommenden Tagen spielt sich alles im kleineren Rahmen ab, was mir persönlich entgegenkommt. Die große Menge suche ich nicht, ein Gespräch in ruhiger Umgebung ist mir wesentlich angenehmer.
Es ist Donnerstag der 15.11.2012, 6.24 Uhr, ich wache auf. Der letzte Tag dieser Reise steht an, eine Reise welche in Ihrer Gänze Spuren hinterlassen hat. Spuren von Ermüdung und Erschöpfung. 9 Flüge in zehn Tagen, unzählige Kontakte, dazwischen der Versuch mein Tagesgeschäft nach all den Meetings abzuarbeiten, um schließlich gähnend in den Schlaf zu sinken, welcher von mehrmaligem Aufwachen unterbrochen wird.
Auch heute spielt Randy unseren Chauffeur, der uns an Flughafen bringt. Die letzten Stunden dieses Aufenthaltes verbringe ich in der OneWorld-Alliance-Lounge. Da ich vorhabe direkt nach dem Start mich in mein Bett zu legen, um möglichst viel zu schlafen, speise ich bereits hier. Aufgrund eines Unfalles auf einer der Zubringer-Highways ist unsere Crew verspätet, eine Verspätung unseres Abfluges ist vorprogrammiert. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht abzusehen wie lange ich noch im Wartebereich verbingen darf bzw. muss, es bleibt spannend.
Ein lange Reise neigt sich dem Ende zu, in gut 17 Stunden werde ich zu Hause sein, zu Hause in der Heimat. Zwei Wochen bleiben mir, bevor es wieder in die Staaten nach Seattle geht. Jetzt aber heißt es erst einmal, Heimat ich komme!

Montag, 12. November 2012

USA - Tag 4-6 – Familienanschluss


Bevor ich ins Wochenende gehe sehen mein Kollege Philipp und ich noch einen deutschen Lieferanten, der in den USA eine Fertigung unterhält. Wir halten ein Business Review Meeting, welches nach gut vier Stunden endet. Weitere 3 Stunden später gehen wir ins Wochenende, auf welches ich mich außerordentlich freue. Zusammen mit Philipp fahre ich zu ihm nach Hause, wo ich von seiner Frau Fanny herzlich willkommen geheißen werde. Beide haben mich für die folgenden Tage zu sich eingeladen. Dort angekommen zeige ich mich beeindruckt von deren großartigem und in der Tat großzügigen Haus. Nach vielen Jahren sehe ich endlich Philipps 68er Camarro, ein 350 PS Bullide, liebevoll von ihm selbst restauriert.
Ein riesiges, selbstgegrilltes Steak später sitzen wir zusammen auf der Couch, trinken ein paar Bier und schauen auf einem der konstant laufenden, riesigen Fernseher Golfchannel und unterhalten uns über dies und das. Punkt zehn Uhr gehen Philipp und Fanny wie jeden Tag schlafen, worauf auch ich mich ebenfalls ins Bett begebe. Morgen wird ein großartiger Tag. Die Wettervorschau könnte nicht besser sein. Wir schreiben das Wochenende des 10. November und wir erwarten 25 Grad Celsius und einen strahlend blauen Himmel. Mittels Skype unterhalte ich mich per Videotelefonie noch vor dem Schlafengehen mit meinem Mann, eine wundervolle Erfindung!
Wie vorhergesagt begrüßt mich ein herrliches Wetter an diesem Morgen. Philipp und ich haben unsere sieben Sachen gepackt, auf diesen Tag freue ich mich schon seit einiger Zeit. Das Frühstück fällt kurz und simpel aus, um kurz vor halb zehn sind wir angekommen im SJ Countryclub, in welchem Philipp Mitglied ist. Eine Runde Golf wartet auf mich, eine Runde bei traumhaften Indian-Summer-Wetter auf einem wundervoll angelegten Platz. Nach dem Einspielen geht’s direkt nach einem Kanonenstart los, wir starten auf einem Par 3. Dank Philipp musste ich keine Schläger leihen, ich spiele mit einigen seiner alten. Es läuft recht ordentlich und ich zeige mich beeindruckt von der Qualität der Fairways und der unglaublich schnellen Grüns. Die Amerikaner wissen einfach wie man für Spielspaß sorgt, angefangen bei der Auswahl der Gräser die verwendet werden. Das Clubhaus erinnert stark an eine riesige Südstaatenvilla, vom Schuhputzservice bis zum Ausladen der Schläger aus dem Kofferraum, Swimmingpool, Tennisplätzen, einem Fitnessstudio, usw. ist alles inbegriffen. Viereinhalb Stunden dauert unsere Runde, trotz Cart.
Abends treffen wir Philipps und Fannys Sohn Taylor und seine Zukünftige Liv in einer Sportsbar, in welcher auf gut 30 Bildschirmen American College Football läuft. Der Abend endet mit weiteren Bieren auf der Couch vor dem Fernseher und einem Stück Boston-Creme-Torte. Ein toller Samstag geht zu Ende.
Es ist Sonntagmorgen, 11:50 Uhr und Philipp, seine Buddys Greg und Bob, sowie meine Wenigkeit stehen an Tee 1 des Golfkurses. Erneut scheint die Sonne und lässt den Sommer für einige Stunden zurückkehren. So schön das Wetter ist, so schlecht ist mein Spiel an diesem Tag. Ich bin nicht bei der Sache und lasse mich durch die Flightkonstellation etwas irritieren, warum auch immer. Dennoch genieße ich den Tag auf dem Platz, mache ein paar schöne Schnappschüsse von selbigem und Klubhaus. Kurz vor halb sechs Uhr abends treffen wir bei Fanny ein, es heißt packen und verabschieden. Ich habe die Zeit genossen und mich für wenige Tage dort zu Hause gefühlt, was für eine Abwechslung zum regulären Hotelaufenthalt. Den Mietwagen gebe ich heute bereits ab, morgen früh gegen fünf Uhr muss ich los zum Flughafen, welcher vom Hotel per pedes zu erreichen ist. Gut 15 Minuten später bin ich wieder im Hotelzimmer und packe als mir auffällt, dass ich meine Golfschuhe im Wagen vergessen habe. Auf ein Neues gehe ich dieselbe Strecke zurück und finde glücklicherweise meine Schuhe samt Tasche im Wagen, nicht unbedingt selbstverständlich. Es ist Zeit schlafen zu gehen, die Nacht wird kurz sein, gegen vier Uhr morgens wird mein Wecker klingeln, bevor es über Washington nach Los Angeles gehen wird. Ein langer Tag steht bevor!


USA - Tag 3 – Indian Summer



Mountain Home Donnerstag morgen, das Wetter ist toll, die Frisur sitzt. Morgens besuche ich die zweite Fertigungsstätte des zuvor besuchten Lieferanten, ich bin einigermaßen beeindruckt von seinen Fertigungsmöglichkeiten, jedoch liegt der generelle Standard deutlich unter den meiner europäischen Lieferanten. Dennoch wusste dieser mich zu beeindrucken, wurde ich doch von Frieda den ganzen Tag begleitet. Frieda ist vor gut 16 Jahren in die Staaten ausgewandert und hat einen herrlich fränkischen Akzent. Die Hochzeit mit einem Soldaten hat sie nach Mountain Home geführt. Nach der Scheidung, einer weiteren wenige Jahre später und einer Dritten, lebt sie nun in einem kleinen Häuschen mit ihren 7 Katzen. Frieda ist von erfrischender Herzlichkeit. Sie arbeitet als Vorarbeiterin in der Fertigung und zeigt ihren Stolz und ihre Dankbarkeit in der Firma arbeiten zu können. Wir unterhalten uns mehr oder weniger den ganzen Vormittag über, während sich meine Gastgeber mit einem Grinsen wundern.
Einer zweieinhalb Stunden währenden Fertigungstour folgen weitere zwei Stunden Feedbackrunde und Diskussion über die nächsten Schritte, inklusive eines leckeren „Working-Barbeque-Lunch“.
Gegen 13:30 Uhr werde ich von Jeff, einem Limousine-Chauffeur, zum gut drei Stunden entfernten Flughafen nach Fayettville gefahren. Jeff ist in seinen Siebzigern würde ich sagen und wir unterhalten uns über dies und das, bevor ich für gut eineinhalb-zwei Stunden einnicke. Kurz vor dem Flughafen hält Jeff an einer Tankstelle an, um sich nach dem Weg zu erkundigen, er traut dem Navigationsgerät nicht. Immerhin sind wir nahe dem Ziel, an welchem ich weitere fünfzehn Minuten später von Jeff abgesetzt werde. Einem zehn Dollar Trinkgeld folgt eine herzliche Umarmung durch Jeff, ich trete in die Abfertigungshalle. Nach erfolgreichem Check-In und der Sicherheitskontrolle komme ich endlich dazu den zweiten Tag meiner Reise in meinem Blog zu erfassen und zu posten. Einem Flug nach Charlotte folgt ein weiterer nach Greensboro in North Carolina. Um kurz nach Mitternacht knipse ich das Licht in meinem Marriott-Airport-Hotel-Zimmer aus, das Wochenende naht.

Freitag, 9. November 2012

USA Tag 2 – Lebenslänglich



Ein Thema beherrscht heute die Medien, die Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten. Ob beim Frühstück oder am Flughafen, auf allen Sendern wird debattiert, aufwändig erstellte Analysen werden präsentiert, Gründe für den Sieg bzw. die Niederlage eruiert. Ein Flieger der Delta Airlines bringt mich heute Morgen nach Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas, wo ich nach gut 1 Stunde und 40 Minuten auf dem Hillary und Bill Clinton Flughafen lande. Dort angekommen werde ich bereits von einem Kollegen aus einem unserer Unternehmen, sowie dem Lieferanten welchem ich einen Besuch abstatte, erwartet. Dem Ziel unserer heutigen Reise, welche wir mittels eines überdimensionierten SUV fortsetzen, sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Wir besuchen heute den ersten von zwei Fertigungsstandorten, welcher im größten Frauengefängnis in Newport/Arkansas liegt. 1300 Frauen sitzen dort ein, aus unterschiedlichen Gründen, vom leichteren Drogendelikt bis hin zu Mord. Mir wird mulmig, als wir uns dem großen Komplex, welcher durch einen zusätzlichen Männertrakt ergänzt wird, nähern. Fuhren wir zuvor noch durch dicht bewaldetes Land, ist das Umfeld in Nähe des Gefängnisses durch weite Ebenen, Felder ohne Bebauung geprägt. Hier kann sich jemand nur schwerlich verstecken, sollte dies nötig sein. Schilder, welche vor der Mitnahme von Anhaltern warnen, säumen die Straßen.
Der McPherson-Trakt, in welchem ausschließlich Frauen einsitzen, ist die größte aller in Arkansas vorhandenen Strafanstalten. Gesamt sitzen in diesem Bundesstaat, in welchem die Todesstrafe durch die Giftspritze vollzogen wird, 15.000 Frauen ein (für Vergehen die vor 1983 begangen wurden kann zwischen dem elektrischen Stuhl und der Giftspritze gewählt werden, welch eine Qual der Wahl).
Wir treten ein durch einen gut dreieinhalb Meter hohen Zaun. Bevor wir durch den Zweiten in das Anmeldegebäude gelangen können, muss die Tür zum ersten Zaun bereits wieder verschlossen sein. Mobiltelefon, wie auch alle anderen losen Gegenstände mussten im Fahrzeug bleiben. Es folgt ein Sicherheitsritual, wie ich es vom Flughafen kenne mit dem Unterschied, dass in jedem Fall eine Leibesvisitation durchgeführt wird. Dieser Ort strahlt eine bedrückende, von Kälte und Rauheit geprägte Atmosphäre aus, ich fühle mich zunehmend unwohler. Der Gefängnisdirektor empfängt uns persönlich, ein hagerer in den letzten Wochen seines Berufslebens stehender Mann, welcher uns durch den Trakt in das separate Fertigungsgebäude führen wird. Eine Tür öffnet sich, die andere wird hinter uns geschlossen, Knöpfe gedrückt, ein surrendes Signal ertönt, eine weitere Tür öffnet sich und wir treten ein in einen langen, kahlen Gang. Weiß gekleidete Gefangene schreiten durch eine Sicherheitsschleuse, Frauen jugendlichen bis älteren Alters, Blicke wechseln einander, ich trete ein in ein fremdes, mir völlig unbekanntes Universum, in welchem andere Regeln herrschen. Es ist leise, niemand spricht außer uns Besuchern. Wir gehen durch den Gang vorbei an der Wäscherei in welcher Insassen ihren unbezahlten Dienst verrichten, vorbei an der Kantine, in welchem das Essen von Gefangenen für Gefangene zubereitet wird, bis wir eine weitere Tür erreichen, welche uns nach draußen führt. Wenige Schritte weiter erreichen wir das Gebäude, in welchem unser Lieferant fertigen lässt. Auch hier ist es erstaunlich leise, laute Unterhaltungen, Gruppierungen von mehreren Damen sind nicht gestattet, es herrscht eine klare, unausgesprochene Hierarchie. Jede Mitarbeiterin verdient ihr eigenes Geld, von welchem ein Teil zur Finanzierung der Fertigungsstätte, ein anderer für weitere Abgaben einbehalten wird, der Rest wird meist an die Familien verschickt. Gut 50 Damen unterschiedlichen Alters genießen das Privileg hier arbeiten zu dürfen, dem Gefängnisalltag für mehrere Stunden zu entfliehen, ein wenig Normalität zu erleben. Alle Mitarbeiterinnen gehen durch einen harten Auswahlprozess, keine Auffälligkeiten sind erlaubt, mindestens zwei Jahre müssen sie bereits einsitzen. Meine fachlichen Fragen und Beweggründe für den Besuch treten schnell in den Hintergrund, ich will mehr wissen, mehr über jedes einzelne persönliche Schicksal. Ich weiß, dass ich diese Fragen nicht stellen darf, lediglich Fragen zur Sache sind gestattet. Auf unserem Weg durch die Fertigung halten wir bei Mrs. Hendrickson, einer Frau in ihren Fünfzigern, gepflegtes, getöntes Haar, eine Brille tragend, eine sehr sympathische Erscheinung. Ansprachen mit Vornamen sind nicht erlaubt, eine neue Erfahrung. Schnell ergibt sich ein Gespräch, sehr sachkundig erklärt sie mir jeden einzelnen Schritt ihres Tuns, ich merke wie sie es genießt für wenige Sekunden ihrem Alltag zu entfliehen und sich einem Nichtinsassen mitteilen zu können. Nur schwer kann ich ihr folgen, bin ich in Gedanken doch längst bei viel wichtigeren Fragen zu Ihrer Geschichte. Kurz bevor wir weiterziehen lasse ich sie wissen, dass ich sehr beeindruckt bin von Ihrer leidenschaftlichen Art zu erzählen. Mrs. Hendrickson schenkt mir ein Lächeln bevor sie zur Pause eilt. Sie wird diesen Ort in Ihrem Leben nicht mehr verlassen.
Wir setzen unsere Tour fort, jedes einzelne Gespräch berührt mich, es fällt mir zunehmend schwerer mich zu konzentrieren. Mrs. Hindrichs ist geschätzte 70 Jahre alt, eine Oma aus dem Bilderbuch, weiße Haare, eine freundlich Erscheinung. Klein und zierlich, eine etwas zu groß geratene Brille und eine sanfte, leise, mädchenhafte Stimme, so lässt sich Mrs. Smith beschreiben, keine vierzig dürfte sie sein. Was ist schief gelaufen in deren Leben, wie lange leben sie bereits in Gefangenschaft ohne Aussicht auf eine baldige Entlassung? Mich beschäftigt dies mehr als ich mir vorgestellt habe, ich bin getroffen, getroffen von jedem einzelnen Schicksal.
Nach gut zwei Stunden befinde ich mich wieder in Freiheit, an der frischen Luft, mit der Aussicht diesen unwirklichen Ort wieder zu verlassen. Wir fahren los, Mrs. Hendrickson und Ihre Mitinsassinen bleiben zurück. Nach wenigen hundert Metern biegt ein weißer Bus auf die Zufahrtsstraße zum Gefängnis ein, weiß gekleidete Männer schauen aus den Fenstern, ich schließe die Augen.
Gegen 15:00 Uhr machen wir halt in einem Steak-Restaurant in Westernoptik, Erdnussschalen liegen auf dem Boden verstreut, wir entfernen uns mehr und mehr von Newport. Drei Stunden später erreichen wir Mountain Home, ein Kaff im Nirgendwo. Hier schlagen wir unsere Zelte auf, ich im Hampton Inn. Nach diesem bewegenden Tag folgt ein emotionaler Lichtblick, Elisabeth heißt mich an der Rezeption in breitestem Fränkisch willkommen, nachdem sie meinen Reisepass gesehen hat.
Viel gibt es hier nicht zu tun, außer einem McDonalds, einem weniger einladend wirkenden chinesischen Restaurant, einem Nagelstudio und ein paar Landwirtschaftsgeschäften ist nichts geboten. Ich kaufe mir ein Root-Beer in einer nahegelegenen Tankstelle, sitze in meinem Zimmer und arbeite an meinen eingetrudelten Emails. Meiner Freiheit bewusst lege ich mich schlafen.

USA Tag 1 - Auf zu neuen Ufern



Tag 1 meiner November USA-Reise, welche mich in 10 Tagen durch die Staaten Georgia, Arkansas, North Carolina und schließlich Kalifornien führen wird. Der Reihe nach:
Wir schreiben den 06. November 2012, spät ist es geworden letzte Nacht, haben wir doch im größeren Rahmen meinen Geburtstag gefeiert, ein fröhlicher Abend. Etwas ermattet packe ich meine letzten Sachen ein, um per Bahn an den Flughafen zu fahren. Auf der Fahrt geschieht nichts Nennenswertes außer, dass ich mit einem Franken ins Gespräch komme. Es wird nicht bei der einzigen fränkischen Begegnung dieser Reise bleiben.
Am Flughafen angekommen heißt es jedoch auf zu neuen Ufern. Zum ersten Mal seit vielen Jahren werde ich nicht wie gewohnt zum First-Class-Schalter der Lufthansa im Terminal 1 trotten, um einzuchecken und danach in der Lounge auf meinen Abflug warten. Nein, diesen Flug trete ich mit British Airways an, einen Vielfliegerstatus mit dieser Gesellschaft habe ich (noch) nicht und kann somit auch nicht auf die gewohnten Gold-Vorteile zurückgreifen. Nach einem längeren Fußmarsch und einer Fahrt mit dem Skytrain komme ich im Terminal 2 an. Im Vergleich herrscht hier eine ruhige Atmosphäre, nicht viele Leute sind zu sehen, weder beim Checkin, noch bei der Security und am Abflug-Gate. So komme ich ruck zuck durch die Sicherheitskontrolle, scherze etwas mit dem abgestellten Mitarbeiter der Sicherheitsfirma und wate zur JAL-Lounge, welche den Lounge-Service für British-Airways für Business-Passagiere erbringt. Im Vergleich zur LH-Senator-Lounge wirkt diese wie ein Aufenthaltsraum, welcher ohne jegliches Designverständnis eingerichtet wurde. Egal, es ist ruhig und es gibt was zu trinken und essen. Bei all der Leere im Raum fällt mir sofort ein lesbisches Pärchen auf, welches sich angeregt unterhält und welches ich später auf den Sitzen hinter mir im Flieger wiedertreffen werde.
Alt und stark in die Jahre gekommen ist auch der Airbus mit welchem ich nach London fliege. Die Sitze wie auch der Service entspricht nicht dem was ich gewohnt bin, dennoch komme ich sicher in London am Terminal 5 an. Es wird Zeit eine Mahlzeit einzunehmen, was bietet sich da besser an als einen Besuch in der BA Silver-Lounge. Es ist Stoßzeit und so kommt es, dass sich hunderte Leute in diesem riesigen Wartebereich mit großem Essens- und Getränkeangebot, tummeln. Zu stressig um es lange hier auszuhalten. Glücklicherweise lässt das Boarding meines Fluges nach Atlanta nicht lange auf sich warten. Ich bin gespannt auf die Business-Class, von welcher ich schon einiges gehört und gelesen habe. Ich sitze auf 13K, direkt am Fenster, rückwärts zur Flugrichtung. Mein Nebensitzer sitzt mir gegenüber. In diesem Fall ist es gut, dass es eine Trennwand gibt, die sich magisch per Knopfdruck nach oben verschieben lässt. Mein Sitznachbar ist ein typischer Nerd! Ich bin begeistert von der Konzeption der Kabine, habe ich doch mit Einsatz des Sichtschutzes eine kleine eigene Koje, in welcher ich mich unbeobachtet strecken und recken und ein paar Stündchen ungestört schlummern kann. Ich habe selten so gut auf einem Flug geschlafen, was ich weniger auf den eher schlecht verwirklichten Marvel-Comic-Film „The Avengers“, als vielmehr auf die Ausrichtung und somit Liegeposition meines Sitzes bzw. mir zurückführe. Alles in allem ein toller Flug, ich freue mich auf die, die da kommen werden.
Nach 8:45h erreichen wir den Flughafen mit dem größten Passagieraufkommen weltweit, Atlanta. Zwei Busfahrten später checke ich im Hilton am Flughafen ein und begebe mich in die Executive Lounge. Dort wird von ein paar wenigen der Verlauf der Präsidentschaftswahlen debattiert, ich schnappe mir etwas zu trinken, mische mich ein wenig in die Unterhaltung ein und gehe schließlich zurück aufs Zimmer. Dort zappe ich von einem Politkanal auf den nächsten, um die verschiedenen Meinungsbilder zum Verlauf der Wahl aufzunehmen, ehe ich mich nach einem sehr langen Tag ins Bett begebe. Wenn ich am nächsten Tag aufwache, wird Obama der neue alte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein.
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