Ein Thema beherrscht heute die Medien, die Wiederwahl des
amerikanischen Präsidenten. Ob beim Frühstück oder am Flughafen, auf allen
Sendern wird debattiert, aufwändig erstellte Analysen werden präsentiert, Gründe
für den Sieg bzw. die Niederlage eruiert. Ein Flieger der Delta Airlines bringt
mich heute Morgen nach Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas, wo ich nach
gut 1 Stunde und 40 Minuten auf dem Hillary und Bill Clinton Flughafen lande.
Dort angekommen werde ich bereits von einem Kollegen aus einem unserer
Unternehmen, sowie dem Lieferanten welchem ich einen Besuch abstatte, erwartet.
Dem Ziel unserer heutigen Reise, welche wir mittels eines überdimensionierten
SUV fortsetzen, sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Wir besuchen heute
den ersten von zwei Fertigungsstandorten, welcher im größten Frauengefängnis in
Newport/Arkansas liegt. 1300 Frauen sitzen dort ein, aus unterschiedlichen
Gründen, vom leichteren Drogendelikt bis hin zu Mord. Mir wird mulmig, als wir
uns dem großen Komplex, welcher durch einen zusätzlichen Männertrakt ergänzt
wird, nähern. Fuhren wir zuvor noch durch dicht bewaldetes Land, ist das Umfeld
in Nähe des Gefängnisses durch weite Ebenen, Felder ohne Bebauung geprägt. Hier
kann sich jemand nur schwerlich verstecken, sollte dies nötig sein. Schilder,
welche vor der Mitnahme von Anhaltern warnen, säumen die Straßen.
Der McPherson-Trakt, in welchem ausschließlich Frauen einsitzen, ist die größte aller in Arkansas vorhandenen Strafanstalten. Gesamt sitzen in diesem Bundesstaat, in welchem die Todesstrafe durch die Giftspritze vollzogen wird, 15.000 Frauen ein (für Vergehen die vor 1983 begangen wurden kann zwischen dem elektrischen Stuhl und der Giftspritze gewählt werden, welch eine Qual der Wahl).
Wir treten ein durch einen gut dreieinhalb Meter hohen Zaun. Bevor wir durch den Zweiten in das Anmeldegebäude gelangen können, muss die Tür zum ersten Zaun bereits wieder verschlossen sein. Mobiltelefon, wie auch alle anderen losen Gegenstände mussten im Fahrzeug bleiben. Es folgt ein Sicherheitsritual, wie ich es vom Flughafen kenne mit dem Unterschied, dass in jedem Fall eine Leibesvisitation durchgeführt wird. Dieser Ort strahlt eine bedrückende, von Kälte und Rauheit geprägte Atmosphäre aus, ich fühle mich zunehmend unwohler. Der Gefängnisdirektor empfängt uns persönlich, ein hagerer in den letzten Wochen seines Berufslebens stehender Mann, welcher uns durch den Trakt in das separate Fertigungsgebäude führen wird. Eine Tür öffnet sich, die andere wird hinter uns geschlossen, Knöpfe gedrückt, ein surrendes Signal ertönt, eine weitere Tür öffnet sich und wir treten ein in einen langen, kahlen Gang. Weiß gekleidete Gefangene schreiten durch eine Sicherheitsschleuse, Frauen jugendlichen bis älteren Alters, Blicke wechseln einander, ich trete ein in ein fremdes, mir völlig unbekanntes Universum, in welchem andere Regeln herrschen. Es ist leise, niemand spricht außer uns Besuchern. Wir gehen durch den Gang vorbei an der Wäscherei in welcher Insassen ihren unbezahlten Dienst verrichten, vorbei an der Kantine, in welchem das Essen von Gefangenen für Gefangene zubereitet wird, bis wir eine weitere Tür erreichen, welche uns nach draußen führt. Wenige Schritte weiter erreichen wir das Gebäude, in welchem unser Lieferant fertigen lässt. Auch hier ist es erstaunlich leise, laute Unterhaltungen, Gruppierungen von mehreren Damen sind nicht gestattet, es herrscht eine klare, unausgesprochene Hierarchie. Jede Mitarbeiterin verdient ihr eigenes Geld, von welchem ein Teil zur Finanzierung der Fertigungsstätte, ein anderer für weitere Abgaben einbehalten wird, der Rest wird meist an die Familien verschickt. Gut 50 Damen unterschiedlichen Alters genießen das Privileg hier arbeiten zu dürfen, dem Gefängnisalltag für mehrere Stunden zu entfliehen, ein wenig Normalität zu erleben. Alle Mitarbeiterinnen gehen durch einen harten Auswahlprozess, keine Auffälligkeiten sind erlaubt, mindestens zwei Jahre müssen sie bereits einsitzen. Meine fachlichen Fragen und Beweggründe für den Besuch treten schnell in den Hintergrund, ich will mehr wissen, mehr über jedes einzelne persönliche Schicksal. Ich weiß, dass ich diese Fragen nicht stellen darf, lediglich Fragen zur Sache sind gestattet. Auf unserem Weg durch die Fertigung halten wir bei Mrs. Hendrickson, einer Frau in ihren Fünfzigern, gepflegtes, getöntes Haar, eine Brille tragend, eine sehr sympathische Erscheinung. Ansprachen mit Vornamen sind nicht erlaubt, eine neue Erfahrung. Schnell ergibt sich ein Gespräch, sehr sachkundig erklärt sie mir jeden einzelnen Schritt ihres Tuns, ich merke wie sie es genießt für wenige Sekunden ihrem Alltag zu entfliehen und sich einem Nichtinsassen mitteilen zu können. Nur schwer kann ich ihr folgen, bin ich in Gedanken doch längst bei viel wichtigeren Fragen zu Ihrer Geschichte. Kurz bevor wir weiterziehen lasse ich sie wissen, dass ich sehr beeindruckt bin von Ihrer leidenschaftlichen Art zu erzählen. Mrs. Hendrickson schenkt mir ein Lächeln bevor sie zur Pause eilt. Sie wird diesen Ort in Ihrem Leben nicht mehr verlassen.
Wir setzen unsere Tour fort, jedes einzelne Gespräch berührt mich, es fällt mir zunehmend schwerer mich zu konzentrieren. Mrs. Hindrichs ist geschätzte 70 Jahre alt, eine Oma aus dem Bilderbuch, weiße Haare, eine freundlich Erscheinung. Klein und zierlich, eine etwas zu groß geratene Brille und eine sanfte, leise, mädchenhafte Stimme, so lässt sich Mrs. Smith beschreiben, keine vierzig dürfte sie sein. Was ist schief gelaufen in deren Leben, wie lange leben sie bereits in Gefangenschaft ohne Aussicht auf eine baldige Entlassung? Mich beschäftigt dies mehr als ich mir vorgestellt habe, ich bin getroffen, getroffen von jedem einzelnen Schicksal.
Nach gut zwei Stunden befinde ich mich wieder in Freiheit, an der frischen Luft, mit der Aussicht diesen unwirklichen Ort wieder zu verlassen. Wir fahren los, Mrs. Hendrickson und Ihre Mitinsassinen bleiben zurück. Nach wenigen hundert Metern biegt ein weißer Bus auf die Zufahrtsstraße zum Gefängnis ein, weiß gekleidete Männer schauen aus den Fenstern, ich schließe die Augen.
Gegen 15:00 Uhr machen wir halt in einem Steak-Restaurant in Westernoptik, Erdnussschalen liegen auf dem Boden verstreut, wir entfernen uns mehr und mehr von Newport. Drei Stunden später erreichen wir Mountain Home, ein Kaff im Nirgendwo. Hier schlagen wir unsere Zelte auf, ich im Hampton Inn. Nach diesem bewegenden Tag folgt ein emotionaler Lichtblick, Elisabeth heißt mich an der Rezeption in breitestem Fränkisch willkommen, nachdem sie meinen Reisepass gesehen hat.
Viel gibt es hier nicht zu tun, außer einem McDonalds, einem weniger einladend wirkenden chinesischen Restaurant, einem Nagelstudio und ein paar Landwirtschaftsgeschäften ist nichts geboten. Ich kaufe mir ein Root-Beer in einer nahegelegenen Tankstelle, sitze in meinem Zimmer und arbeite an meinen eingetrudelten Emails. Meiner Freiheit bewusst lege ich mich schlafen.
Der McPherson-Trakt, in welchem ausschließlich Frauen einsitzen, ist die größte aller in Arkansas vorhandenen Strafanstalten. Gesamt sitzen in diesem Bundesstaat, in welchem die Todesstrafe durch die Giftspritze vollzogen wird, 15.000 Frauen ein (für Vergehen die vor 1983 begangen wurden kann zwischen dem elektrischen Stuhl und der Giftspritze gewählt werden, welch eine Qual der Wahl).
Wir treten ein durch einen gut dreieinhalb Meter hohen Zaun. Bevor wir durch den Zweiten in das Anmeldegebäude gelangen können, muss die Tür zum ersten Zaun bereits wieder verschlossen sein. Mobiltelefon, wie auch alle anderen losen Gegenstände mussten im Fahrzeug bleiben. Es folgt ein Sicherheitsritual, wie ich es vom Flughafen kenne mit dem Unterschied, dass in jedem Fall eine Leibesvisitation durchgeführt wird. Dieser Ort strahlt eine bedrückende, von Kälte und Rauheit geprägte Atmosphäre aus, ich fühle mich zunehmend unwohler. Der Gefängnisdirektor empfängt uns persönlich, ein hagerer in den letzten Wochen seines Berufslebens stehender Mann, welcher uns durch den Trakt in das separate Fertigungsgebäude führen wird. Eine Tür öffnet sich, die andere wird hinter uns geschlossen, Knöpfe gedrückt, ein surrendes Signal ertönt, eine weitere Tür öffnet sich und wir treten ein in einen langen, kahlen Gang. Weiß gekleidete Gefangene schreiten durch eine Sicherheitsschleuse, Frauen jugendlichen bis älteren Alters, Blicke wechseln einander, ich trete ein in ein fremdes, mir völlig unbekanntes Universum, in welchem andere Regeln herrschen. Es ist leise, niemand spricht außer uns Besuchern. Wir gehen durch den Gang vorbei an der Wäscherei in welcher Insassen ihren unbezahlten Dienst verrichten, vorbei an der Kantine, in welchem das Essen von Gefangenen für Gefangene zubereitet wird, bis wir eine weitere Tür erreichen, welche uns nach draußen führt. Wenige Schritte weiter erreichen wir das Gebäude, in welchem unser Lieferant fertigen lässt. Auch hier ist es erstaunlich leise, laute Unterhaltungen, Gruppierungen von mehreren Damen sind nicht gestattet, es herrscht eine klare, unausgesprochene Hierarchie. Jede Mitarbeiterin verdient ihr eigenes Geld, von welchem ein Teil zur Finanzierung der Fertigungsstätte, ein anderer für weitere Abgaben einbehalten wird, der Rest wird meist an die Familien verschickt. Gut 50 Damen unterschiedlichen Alters genießen das Privileg hier arbeiten zu dürfen, dem Gefängnisalltag für mehrere Stunden zu entfliehen, ein wenig Normalität zu erleben. Alle Mitarbeiterinnen gehen durch einen harten Auswahlprozess, keine Auffälligkeiten sind erlaubt, mindestens zwei Jahre müssen sie bereits einsitzen. Meine fachlichen Fragen und Beweggründe für den Besuch treten schnell in den Hintergrund, ich will mehr wissen, mehr über jedes einzelne persönliche Schicksal. Ich weiß, dass ich diese Fragen nicht stellen darf, lediglich Fragen zur Sache sind gestattet. Auf unserem Weg durch die Fertigung halten wir bei Mrs. Hendrickson, einer Frau in ihren Fünfzigern, gepflegtes, getöntes Haar, eine Brille tragend, eine sehr sympathische Erscheinung. Ansprachen mit Vornamen sind nicht erlaubt, eine neue Erfahrung. Schnell ergibt sich ein Gespräch, sehr sachkundig erklärt sie mir jeden einzelnen Schritt ihres Tuns, ich merke wie sie es genießt für wenige Sekunden ihrem Alltag zu entfliehen und sich einem Nichtinsassen mitteilen zu können. Nur schwer kann ich ihr folgen, bin ich in Gedanken doch längst bei viel wichtigeren Fragen zu Ihrer Geschichte. Kurz bevor wir weiterziehen lasse ich sie wissen, dass ich sehr beeindruckt bin von Ihrer leidenschaftlichen Art zu erzählen. Mrs. Hendrickson schenkt mir ein Lächeln bevor sie zur Pause eilt. Sie wird diesen Ort in Ihrem Leben nicht mehr verlassen.
Wir setzen unsere Tour fort, jedes einzelne Gespräch berührt mich, es fällt mir zunehmend schwerer mich zu konzentrieren. Mrs. Hindrichs ist geschätzte 70 Jahre alt, eine Oma aus dem Bilderbuch, weiße Haare, eine freundlich Erscheinung. Klein und zierlich, eine etwas zu groß geratene Brille und eine sanfte, leise, mädchenhafte Stimme, so lässt sich Mrs. Smith beschreiben, keine vierzig dürfte sie sein. Was ist schief gelaufen in deren Leben, wie lange leben sie bereits in Gefangenschaft ohne Aussicht auf eine baldige Entlassung? Mich beschäftigt dies mehr als ich mir vorgestellt habe, ich bin getroffen, getroffen von jedem einzelnen Schicksal.
Nach gut zwei Stunden befinde ich mich wieder in Freiheit, an der frischen Luft, mit der Aussicht diesen unwirklichen Ort wieder zu verlassen. Wir fahren los, Mrs. Hendrickson und Ihre Mitinsassinen bleiben zurück. Nach wenigen hundert Metern biegt ein weißer Bus auf die Zufahrtsstraße zum Gefängnis ein, weiß gekleidete Männer schauen aus den Fenstern, ich schließe die Augen.
Gegen 15:00 Uhr machen wir halt in einem Steak-Restaurant in Westernoptik, Erdnussschalen liegen auf dem Boden verstreut, wir entfernen uns mehr und mehr von Newport. Drei Stunden später erreichen wir Mountain Home, ein Kaff im Nirgendwo. Hier schlagen wir unsere Zelte auf, ich im Hampton Inn. Nach diesem bewegenden Tag folgt ein emotionaler Lichtblick, Elisabeth heißt mich an der Rezeption in breitestem Fränkisch willkommen, nachdem sie meinen Reisepass gesehen hat.
Viel gibt es hier nicht zu tun, außer einem McDonalds, einem weniger einladend wirkenden chinesischen Restaurant, einem Nagelstudio und ein paar Landwirtschaftsgeschäften ist nichts geboten. Ich kaufe mir ein Root-Beer in einer nahegelegenen Tankstelle, sitze in meinem Zimmer und arbeite an meinen eingetrudelten Emails. Meiner Freiheit bewusst lege ich mich schlafen.
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