Samstag, 20. November 2010

Fischlein im Glas


Fischlein im Glas

Es gibt nichts wirklich Besonderes zu berichten über die vergangenen zwei Tage. Ich kämpfe noch immer mit dem Jetlag, der mich dieses Mal jedoch mehr im  Griff hat als üblich. Nach den ersten zwei Nächten kann ich gut nachvollziehen, wie es derzeit einem befreundetem Paar mit ihrer neugeborenen Tochter ergeht. Um zehn Uhr eingeschlafen, um zwölf aufgewacht, dann wieder geschlummert und so weiter. Irgendwann jedoch halte ich diesen Zustand des ständigen Dahingedöses nicht mehr aus und stehe weit vor der geplanten Weckzeit auf. Seltsam, mein Biorhythmus hat mehr mit der West-Ostverschiebung als umgekehrt zu kämpfen.
Nunja, wo ich schon mal wach bin, gönne ich mir ein ausgedehntes Frühstück zusammen mit meinem amerikanischen Kollegen, der schon seit einer Woche diesen Kampf gegen das nichtvorhandene Neugeborene bzw. dessen imaginäres nächtliches Gebrüll führt. Was dann folgt ist nicht wirklich erwähnenswert. Wir fahren gefühlt quer durch die Stadt und kommen nach 20 Minuten am Firmengebäude an, um dort den Rest des Tages unser internes Treffen abzuhalten. Tatsächlich sind wir nur wenige Blocks entfernt vom Hotel, weit genug weg, um nicht in Laufdistanz zu sein, jedoch durch den unsäglichen Verkehr zwanzig Minuten Fahrzeit konsumierend.
Der nächste Tag bietet dann schon etwas mehr Abwechslung. Nachdem ich ausgecheckt und mich auf den Weg zum Aufzug gemacht habe, schaue ich noch einmal bei den kleinen Goldfischlein vorbei, welche sich dicht gedrängt in einer rechteckigen Blumenvase, zu Dekorationszwecken, am Eingang zu einem der Hotelrestaurants drängen. Stünde einer der zahlreichen, mit heißem Fett gefüllten Restaurantwoks nahe genug am Miniaquarium, würde ich wetten, dass das ein oder andere Fischlein seinen Suizidgedanken nachgeben und mit einem „Guten Morgen, Guten Abend, Gute Nacht“ auf den Lippen in selbigen hüpfen würde und sich frittieren ließe.
Das erste Ziel des heutigen Tages erreichen wir mit einem Fahrer, der von unserem Lieferanten ans Hotel geschickt wurde. Dieses Mal verlassen wir tatsächlich das pulsierende Herz der Stadt und finden uns in einem der zahlreichen Industrieparks Shanghais wieder. Es liegt der wohlbekannte, jedoch weniger angenehme Geruch aus Industriedüften und den Nachlassenschaften der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den entsprechenden Toilleten in der Luft. Das Gebäude gibt es millionenfach in diesem Land, einige Stockwerke in die Höhe ragend, mit weißen, teils ausgebrochenen und vergilbten kleinen Kacheln überzogen. Dass es Winter wird ist leicht zu erkennen. In ihren Mänteln eingepackt, heißen uns nicht nur die Rezeptionsdame, die sich im zugigen Eingangsbereich des Gebäudes aufhält willkommen, sondern ebenso unsere Gesprächspartner im entsprechenden Besprechungszimmer. Ich bin überrascht, dass in der Fertigung ein angenehmes Raumklima herrscht. Klirrend kalte Produktions- und Meetingräume sind in China durchaus an der Tagesordnung.
Nach getaner Arbeit fahren wir noch kurz Mittagessen, um dann vom Fahrer des besuchten Lieferanten ins 70km entfernte Suzhou, zum nächsten Unternehmen gebracht zu werden. Gegen 17:00 Uhr erreiche ich das Mariott Suzhou, gehe noch kurz zusammen mit meinem chinesischen Kollegen in ein chinesisches Fastfood-Restaurant und lege mich nach einer eineinhalbstündigen Telefonkonferenz um 21:00 Uhr in die Federn. Ich werde in dieser Nacht das erste Mal durchschlafen wie ein kleines, wenige Monate altes Baby, das nun endlich seine Zähnchen bekommen und alle einhergehenden Schmerzen überstanden hat.

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