Donnerstag, 19. April 2012

Nepper - Schlepper – Bauernfänger

Ich sollte einen Versuch unternehmen alle Angestellten in diesem Hotel, dem Taj Samutra in Colombo, zu zählen. Es scheinen unzählig viele Helferlein zu sein, die hier alles am Laufen halten. Alleine auf meinem Stockwerk, dem Executive Floor (klingt exklusiv, kostet aber nur mehr), sitzen zumeist  zwei bis drei Leute ganztägig in den Stühlen vor dem Aufzug. Deren nähere Aufgaben erschließen sich mir nicht, ich nehme an, dass es sich bei den Herren um Sicherheitspersonal handelt (oder um Stuhlwärmer). Auch in allen anderen Bereichen tummeln sich zahlreich Mitarbeiter, die irgendwelchen Aufgaben nachgehen. So zum Beispiel auch der nette uniformierte Herr im Erdgeschoss, dessen Hauptaufgabe es zu sein scheint die Knöpfe der Aufzüge zu drücken, sollte sich ein Gast in eine der oberen Etagen begeben wollen.
Meiner einer greift selbstverständlich auch auf diesen Service zurück, beispielweise um morgens in das Frühstücksrestaurant zu gehen, um mich dort mit Früchten, Rührei, Ceylon-Tee und Pancakes für den Tag zu stärken. Rahul ist bereits startklar, der Geschäftsführer der ersten Unternehmung die heute auf dem Programm steht, ebenfalls. Einen Kabelkonfektionär, Rohkabelhersteller, wie auch einen Leiterplattenbestücker lasse ich mir zeigen. Einziges Highlight an diesem Vormittag ist der Besuch der werkseigenen Kantine des Konfektionärs. Ich speise im Kreise aller Mitarbeiter, endlich mal kein besonderer Raum und kein spezielles Essen.
Zurück im Hotel verfüge ich noch über knapp eineinhalb Stunden, bevor mein Telefonkonferenz-Marathon beginnt und mich bis spät nach Mitternacht zum Wachbleiben zwingen wird. Nutze die Stunde sage ich mir und begebe mich schnurstracks auf die Straße, um nach einer Einkaufsgelegenheit zu suchen. Keine 10 Minuten nachdem ich das Hotel verlassen habe spricht mich ein junger Mann, der sich später als Da Silva vorstellen wird an. In welchem Hotel ich denn logiere und aus welchem Land ich komme will er interessiert wissen. Endlich mal ein Kontakt zur Landesbevölkerung außerhalb meiner geschäftlichen Gespräche. Es entwickelt sich ein angenehmes Gespräch nachdem er mir erzählt hat, dass er selbst im Taj Samutra, also meiner Unterkunft, an der Rezeption arbeite und sich nun auf dem Heimweg zu seiner Familie befinde. Mein Gesicht sei ihm daher irgendwie bekannt vorgekommen. Da Silva hat zwei Kinder, acht und fünf Jahre alt. Dies erfahre ich, nachdem er mich überredet hat mit ihm in einer Rikscha zu einem Tempel zu fahren, in welchem heute der letzte Tag der diesjährigen Neujahrsfeier zelebriert wird – er will mir etwas die Kultur seines Landes näherbringen. Der Tempel beherbergt in der Tat beeindruckende Buddha-Darstellungen und unzähligen, religiösen Krimskrams. Auch ein kleiner, sechsjähriger Elefant darf nicht fehlen, der sich angekettet im Innenhof des Tempels an einigem Grünzeug labt. Ich nehme Da Silva ab, dass dieser Elefant nur noch heute im Tempel weilt und ab morgen wieder in einem Zoo beheimatet sein wird. Während der Tour durch diesen museumsartigen Tempel zeigt mir Da Silva auch die Schätze, welche dieses Land zu bieten hat – in Glaskästen schimmernde Saphire in allen Farben. Das darauffolgende Genuschel meines neuen Bekannten verstehe ich nicht vollständig und folge ihm zusammen in der vorher angemieteten Rikscha, welche uns zu einem Edelsteinhändler bringt. Es schwant mir übles, dennoch folge ich ihm in den Laden und werde erstaunlicherweise auf Deutsch von einem der Mitarbeiter in ein Gespräch verwickelt. Schnell bekomme ich neben belanglosem Smalltalk zu hören, dass ich als Deutscher sicherlich nicht an Halbedelsteinen interessiert sei und ich mir doch die bunten Saphire anschauen sollte, die das Geschäft tonnenweise sein eigenen nennt. Etwas amüsiert lasse ich mir alle möglichen Varianten vorführen und erklären, welcher wohl am besten zu meiner Frau (dies ist eine Grundannahme, die jedem Besucher des Geschäftes unterstellt wird) passen würde. Heute sei der letzte Tag des Neujahrfestes, weshalb ich nur noch an diesem Tag in den Genuss eines besonders günstigen Angebotes käme – ich solle zuschlagen. Wie wäre es mit einem Anhänger in Silber mit einem eingefassten blauen oder rosé-farbenen Edelstein für 125 EUR oder doch ein Ring für meine Herzallerliebste für 275 EUR? Ein Spezialpreis nach dem anderen wird errechnet, ein ums andere Mal lasse ich meinem Gegenüber wissen, dass ich nicht das geringste Interesse an einem Kauf habe. War alles anfangs noch ein Spaß, wird es mir zu dumm und ich verabschiede mich höflich, um mit Da Silva das Geschäft nach knapp zwanzig Minuten wieder zu verlassen. Die eineinhalb Stunden sind rum und ich muss mich rasch auf den Weg ins Hotel machen. Interessanterweise ist die Rikscha noch vor Ort, die uns zuvor zum Tempel und durch die halbe Stadt zu diesem Juwelier gefahren hat. Am Hotel angekommen tritt ein, was ich erwartet hatte. Der Rikschafahrer verlangt 2.000 Rupien, was in etwa 14 EUR entspricht. Sehr bestimmt lasse ich ihn wissen, dass dies wohl ein Witz sei und er sich mit deutlich weniger zufrieden geben müsse. Gut, dann eben 1.000 Rupien, also sieben EUR. Dies entspricht ungefähr einem 3-Tageslohn eines Fabrikarbeiters in Sri Lanka und ist demnach ein Vielfaches eines Tageseinkommens des Fahrers. Als sich auch noch Da Silva einmischt, 1.000 Rupien seien normal und ich solle dies bezahlen, platzt mir der Kragen. Ich drücke dem Fahrer 700 Rupien in die Hand, um diesem Schauspiel ein Ende zu bereiten. Der nächste Akt lässt nicht lange auf sich warten und Da Silva verlangt seinen Obolus. Obolus für was? Bereits bei der Ankunft am Juwelierladen war mir klar geworden, dass es sich hier um eine Inszenierung á la Nepper – Schlepper – Bauernfänger handelt. Da Silva lässt nicht locker und meint, ich könne ihm doch die 1.000 Rupien geben die er in meinem Portemonnaie gesehen habe. Tatsächlich wollte ich ihn vor dieser Farce zu einem Getränk einladen bzw. ihm etwas Geld zukommen lassen. Da mir die 1.000 Rupien zu viel erscheinen schlage ich ihm vor, das Geld zu wechseln und ihm morgen an seinem Arbeitsplatz, der Rezeption,  etwas zu geben. Leider, leider ist er morgen im Urlaub lässt er mich wissen, woraufhin ich ihm mitteile die Aufmerksamkeit am Empfang für ihn zu hinterlegen. Dies scheint sein Stichwort gewesen zu sein und er verschwindet so überraschend, wie er aufgetaucht ist. Mir wird klar, dass der Bursche nicht in meinem Hotel beschäftigt ist und er ob der hoffnungslosen Lage an mein Geld zu kommen das Weite gesucht hat.
Erschöpft und ernüchtert verbringe ich restlichen Abend auf meinem Zimmer am Telefon. Um 0:30 Uhr ist der Tag für mich gelaufen. Morgen geht es abends nach Mumbai, zurück auf den indischen Subkontinent.









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