Donnerstag, 12. April 2012

Neu-Dehli

Es ist 20:34 Uhr, im Moment des Schreibens dieses Tagesrückblicks meiner Erlebnisse, befinde ich mich in gut 10.000 Meter über Indien auf dem Weg von Neu-Dehli zurück nach Bangalore.
Der Tag fängt früh an für mich. Um 5:30 Uhr morgens werde ich unsanft durch den automatischen Weckruf aufgeschreckt. Noch ein wenig zerknautscht mache ich mich auf zur Morgentoilette, ehe ich mich langsamen Schrittes und im Besitz meiner für diesen Tag notwendigen Utensilien auf den Weg in die Hotel-Lobby mache. Das Hotel in welchem ich derzeit logiere befindet sich in einem majestätisch anmutenden, viktorianischen Bau und versprüht einen Hauch von altmodischem und dennoch bemerkenswertem Luxus. Alles erinnert an längst vergangene Zeiten, in welchen während der britischen Kolonialzeit sich die oberen Zehntausend um fünf zur Tea-Time einfanden, um über die Geschehnisse der Zeit zu lamentieren.
In der Lobby angekommen entschließe ich mich noch kurz im Frühstückssalon vorbeizuschauen, vielleicht gibt es schon einen kleinen Happen, obwohl das Büffet noch nicht eröffnet ist. Zu meinem Glück ist alles schon vorbereitet und so mache ich mich auf den Weg zum Hotelausgang gestärkt durch zwei feine Donuts. Auch mein indischer Kollege – sagen wir Rahul zu ihm – schaut noch etwas geplättet aus dem Taxi, ob der frühen Stunde. Glücklicherweise ist Bangalore noch nicht voll erwacht und somit erreichen wir den Flughafen nach knapp 45 Minuten. Dort angekommen gewähren uns die strengen Sicherheitsbeamten nur Einlass in das Flughafengebäude, sofern wir unser Ticket vorweisen können, welches wir glücklicherweise an einem separaten Schalter zuvor erhalten haben.
Mittelsitz! Für einen Vielreisenden gibt es ein paar Kleinigkeiten, welche von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Dazu gehört u.a. die Vermeidung von Mittelsitzen, welchen ich, aufgrund des späten Check-ins und der ausgebuchten Maschine von Jet-Airways zugewiesen bekommen habe. Warum? Erstens, weil ein Gangplatz die Möglichkeit bietet, seine Beine von sich zu strecken. Ein Fensterplatz bietet nebst der Aussicht zudem den Komfort einer Wandverkleidung, an welche man sich bei Bedarf anlehnen kann. Natürlich bieten auch die beiden Nebensitzer, zur Linken und zur Rechten die Möglichkeit sich anzulehnen, was aus verständlichen Gründen nicht immer gut ankommt. Der wichtigste Grund zur Vermeidung eines Mittelplatzes ist der Einquetschfaktor. Sitzt man auf einem der mittigen Sitze, so kommt zumeist zuerst ein sagen wir stämmiger Passagier und setzt sich neben einen auf den Gangplatz. Sobald beide sitzen, ist es Zeit für das Erscheinen des gut genährten Genossen, welcher sich auf den Fensterplatz drückt. Nebst möglichen Ausdünstungen steht vor allem der Kampf um wenigstens eine Armlehne im Vordergrund, welche im Falle eines Außensitzes immer zur Verfügung steht.
So versuche ich also am Gate noch einen Fenster- oder Gangplatz zu ergattern. Mit temporärem Erfolg, wie sich später herausstellen sollte. Der freundliche Mitarbeiter am Gate weist mir, handschriftlich auf der Bordkarte vermerkt, den Gangplatz 5D zu, auf welchem ich mich niederlasse. Kurz vor Ende des Boardings kommt es wie es kommen musste. Es gibt einen Passagier, dessen Dokument ebenfalls 5D aufweist. Dann halt ans Fenster.  Keine 30 Sekunden später tauchen zwei weitere Reisende auf, welche mich letztendlich von meinem Platz vertreiben und so lande ich auf 17E, meinem Mittelplatz. Wie auch immer, auf diesem 2 ½-stündigen Flug habe ich Glück und meine Mitflieger erweisen sich als veritable Außenplatzkollegen.
Auf der Fahrt ins Flughafenterminal fällt mein Blick auf eine Maschine der Bundesrepublik Deutschland, welche auf dem Vorfeld geparkt ist. Ein Staatsbesuch wie es scheint.
Das Wetter in Dehli ist angenehm kühl für den Sommer. Es hat geregnet und somit sind die Temperaturen mit 26 Grad Celsius sehr angenehm. Die Fahrt im kleinen, etwas schmutzigen Tata-Taxi zum Lieferanten führt durch Nord-Dehli, die Straßen sind besser ausgebaut als in Bangalore, bis ins Industriegebiet jedenfalls. Ab da heißt es festhalten. Zum einen aufgrund des chaotischen Verkehrs, zum anderen aufgrund der enorm schlechten Verkerhswege. Es grenzt an ein Wunder, dass wir noch niemanden umgefahren haben, drücken sich durch noch die kleinsten Lücken Rikschas und Mopeds.  Am Ziel selbst sticht mir ein beißender Gestank in die Nase, es riecht nach Müll aller Art. Auch das ist Indien! Jede Fahrt in Indien scheint mindestens 1h zu dauern.
Das Unternehmen das wir heute besuchen gehört zu einem größeren indischen Konzern, welcher u.a. Kabelkonfektionen für die Automobilindustrie fertigt. Einer Vorstellungs- und Präsentationsrunde folgt ein ausgiebiger Produktionsrundgang, um zu evaluieren, ob dieser Lieferant potentiell auch an unser Unternehmen liefern könnte. Der Eindruck ist größtenteils positiv, lediglich die hohen Volumina bereiten mir Bedenken. In den Produktionshallen selbst ist es stickig und drückend warm, dennoch folge ich selbstverständlich meinem Plan und diskutiere meine Fragen und Anmerkungen zu den entsprechenden Stationen.
Vier Stunden später befinden wir uns auf dem Rückweg zum Flughafen. Wieder ein Mittelsitz, den ich jedoch nach Abklappern diverser Stationen doch noch in einen Gangplatz in der vorletzten Reihe umwandeln kann. Der Flug hat gut 30 Minuten Verspätung, während welcher ich von meinem Angetrauten informiert werde, dass es in Indonesien ein Erdbeben der Stärke 8,9 gegeben hat, welches sich wohl bis nach Bangalore erstreckt hat. Es scheint jedoch keine weiteren Auswirkungen auf meine weiteren Reisepläne zu haben. Zurück im Hotel, arbeite ich noch ein wenig den Tag auf, beantworte diverse Emails und telefoniere per Webcam mit meinem Mann, bevor ich mich gegen 0:00 Uhr schlafen lege. Ein langer Tag geht zu Ende.










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